Persönlichkeitsanteile und Altersregression verstehen und nutzen
Hast du schon einmal beobachtet, dass ein älterer Mensch sich plötzlich trotzig wie ein Kind verhält? Oder dass du selbst in einer stressigen Situation
aufmüpfig bist wie ein Teenager oder gekränkt wie ein Grundschulkind?
Solche „altersuntypischen“ Reaktionen sind ganz normal – sie sind Ausdruck sogenannter
Persönlichkeitsanteile und können uns wertvolle Hinweise auf unser inneres Erleben geben.
Was ist Altersregression?
Unter Altersregression versteht man ein Phänomen, bei dem Menschen – unabhängig von ihrem tatsächlichen Lebensalter – in bestimmten Situationen auf frühere
Entwicklungsphasen zurückgreifen.
Sie fühlen, denken oder handeln dann so, wie sie es einst gelernt haben: kindlich spontan, jugendlich rebellisch oder erwachsen
reflektiert.
Unser Gehirn sucht (unbewusst-automatisch) zu jedem Ereignis das vermeintlich am besten passende Reaktionsmuster, unabhängig davon, wann es entstanden ist.
Manchmal greift es dabei „daneben“ und dann passt die Art der Reaktion nicht gut zu dem aktuellen Lebensalter.
Normalerweise haben wir eine innere Regulation, die das verhindern soll. Vor allem wenn wir durch Stress, Überforderung, emotionale Erregung, unerfüllte Bedürfnisse
usw. nicht in Balance sind, beeinträchtigt das unsere Verhaltenssteuerung und wir treffen suboptimale Entscheidungen.
Mit systemischem Coaching ist es möglich, das „Innere Team“ einzusetzen, d. h., dass wir die Persönlichkeitsanteile aktivieren, die für vernünftiges und
angemessenes Verhalten zuständig sind (z. B. der „erwachsene Anteil“ oder der „Realist“). Diese Anteile sollen dann im System die Steuerung übernehmen.
Warum wir manchmal „nicht altersgemäß“ reagieren
Unsere Psyche ist wie eine Bibliothek voller Lebensphasen: Jede Erfahrung, jede Entwicklungsstufe hinterlässt Spuren.
So tragen wir alle Anteile unserer früheren Ichs in uns – vom verspielten Kind bis zum weisen alten Menschen.
Diese Persönlichkeitsanteile können sich in vielen Situationen zeigen:
· Inneres Kind: verspielt, spontan, kreativ, emotional
· Rebellischer Teenager: negiert Regeln, bricht Grenzen auf, sucht Autonomie
· Souveräner Erwachsener: übernimmt Verantwortung, entscheidet, gibt Stabilität
· Weiser alter Mensch: bringt Gelassenheit, Weitblick und Lebenserfahrung ein
Jeder dieser Anteile kann je nach Situation eine wichtige Funktion erfüllen. Kindliche Fantasie kann kreative Ideen hervorbringen,
pubertäre Auflehnung hilft, starre Strukturen zu durchbrechen, und eine reife Sichtweise kann vermeintliche Probleme relativieren.
Der Einsatz von Altersanteilen in Coaching und Therapie
Diese natürliche Fähigkeit kann im Coaching gezielt genutzt werden. So lassen sich beispielsweise spontane Impulse des kindlichen Anteils, die Energie des
jugendlichen Anteils oder die Souveränität des erwachsenen Anteils bewusst aktivieren und integrieren.
Jeder Lebensabschnitt ist in unserer Psyche repräsentiert und trägt bestimmte Erfahrungen, Werte und Überzeugungen in sich – manche fördern, andere behindern uns.
Ein kindlicher Anteil kann etwa emotionale Tiefe, Kreativität und Lebensfreude einbringen. Der jugendliche Anteil steht für Mut, Kritikfähigkeit und Aufbruch.
Der erwachsene Anteil übernimmt Verantwortung, trifft Entscheidungen und sorgt für Stabilität. Und der „weise alte Mensch“ in uns bringt Gelassenheit, Übersicht und innere Ruhe.
Diese unterschiedlichen Anteile können im Coaching miteinander in Kontakt gebracht werden, um innere Konflikte zu klären, Ressourcen zu aktivieren und persönliche Entwicklung zu fördern.
Auf diese Weise entsteht ein inneres Team, das gemeinsam an einem Ziel arbeitet – statt in Konkurrenz zueinander.
Fazit
Die bewusste Arbeit mit Altersanteilen eröffnet im Coaching einen tiefen Zugang zu inneren Ressourcen.
Wenn wir lernen, die kindliche Spontaneität, jugendliche Energie und erwachsene Klarheit zu verbinden, entsteht ein ganzheitlicher Zugang zu uns selbst –
und damit ein Schlüssel zu mehr innerer Balance und Selbstwirksamkeit.