Systemisches Coaching – Mode, Masche oder Methode?
WIKIPEDIA lieferte zum Suchbegriff „Systemisches Coaching“ einen bemerkenswerten Artikel. Zitat: „Systemisches Coaching bezeichnet allgemeine Beratungsgespräche
BeiBei alltäglichen Fragen der persönlichen Lebensführung im beruflichen und privaten Bereich. Es wird von einigen Kritikern als eine Wortschöpfung verschiedener
kommerzieller Anbieter und Verbände zu Werbezwecken bezeichnet. Sie diene der […] Differenzierung gegenüber konkurrierenden Coaching-Anbietern.“*
Inzwischen hat Wikipediadiesen Eintrag völligg neu verfasst. Er war ja auch einer Enzyklopädie unwürdig, einfach nur eine absurde, nicht belegte Behauptung.
Erstens ist Coaching eben keine Beratung und zweitens hatte der Autor dieses Eintrags wohl überhaupt keine Ahnung, was systemisches Coaching von anderen
Coachingformatenunterscheidet. Aber, solche polemischen Einschätzungen haben den Erfolg der systemischen Methoden nicht bremsen können.
Aber was ist systemisches Coaching dann?
Es gibt – da haben die Autoren recht – kein allgemein akzeptiertes Konzept und keine (staatlich) anerkannte, spezifische Ausbildung zum systemischen Coach.
Vielleicht entsteht im Laufe der Jahre ein Konsens, was systemisches Coaching inhaltlich ausmacht. Als ersten Schritt dorthin habe ich, zusammen mit
Lehrcoach‑Kollegen, dazu ein Ausbildungs‑Curriculum entworfen.
Unabhängig davon gibt es mittlerweile über 20 Fachbücher zu diesem Thema. Darunter sind renommierte Fachautorinnen und ‑autoren sowie Wissenschaftler wie
z. B. Sonja Radatz, Bernd Schmid, Thomas Webers, Sabine Marquardt u. a. m. Mittlerweile gibt es auch das akademische Lehrfach „Systemisches Coaching“,
z. B. an der Hochschule Fresenius in Köln und an der International School of Management in Dortmund.
Das widerlegt eindeutig den früheren Wikipedia‑Artikel, in dem systemischem Coaching wissenschaftliche Substanz und faktische Bedeutung abgesprochen wurden.
Da die Wikipedia‑Autoren keine Definition liefern konnten/wollten, schlage ich hiermit eine solche vor.
Systemisches Coaching – Definition
• Ganzheitliche Sicht: Menschen sind keine isolierten Wesen, sie sind Teil eines Beziehungsnetzwerks und eingebettet in einen sozialen Kontext.
Leben ist ein dynamischer Prozess, Personen isolierten WesenPersonen,Dinge und Ereignisse wechselwirken aufeinander.
• Im systemischen Coaching geht es vor allen•allem um eine wirksame Selbststeuerung, um die Erfahrung, dass wir unsere eigene Welt selbst konstruieren und sie
deshalb auch aus eigener Kraft verändern können.
Wir sind nicht Opfer der Umstände, sondern wir bestimmen mit, was geschieht und wie esgeschieht: Jede/r erschafft sich seine eigene Wirklichkeit.
• Die Lenkung der Aufmersamkeit ist der wichtigste Faktor für Entwicklung und Veränderung, deshalb bewirken Perspektivwechsel, konstruktives Feedback und
achtsame Wahrnehmung mehr als Ratschläge und logische Argumentation.
• „Von systemischspricht man, wenn Veränderungen einzelner Elemente Veränderungen anderer Elemente mit sich bringen.“
- Menschen und ihre Probleme sind hoch hochkomplexee Systeme, aber es braucht nur die Veränderung eines (Schlüssel-)Elements.
Das wirkt auf sich alle Elemente im System aus, es ändert sich dadurch als Ganzes. Der Coach und der Coachee müssen nur „den richtigen
Schlüssel““ finden. Dieser Ansatz macht systemisches Coaching so effizient.
• „Systemisches Coaching unterscheidet sich von anderen Coachingansätzen durch den vorwiegenden Einsatz von Veränderungsmethoden bzw. Techniken auf der
Basis der Systemtheorie, des Konstruktivismus, der Linguistik, der Neurowissenschaften und der Humanistischen Psychologie.
Auf diesen Wissenschaften basieren auch die systemische (Psycho-)Therapie, systemische Beratung und systemisches Consulting.“
Bild: Virginia Satir - Mutter der systemischen Arbit
Methodenkombination
Systemische Coaching‑Techniken wurden aus neueren Verfahren der Hypno‑ und Psychotherapie sowie aus aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen der Hirnforschung,
der Neurolinguistik und der Sozialpsychologie u. a. m. entwickelt. Im systemisch‑integrativen Coaching werden aus verschiedenen bewährten Verfahren
diejenigen ausgewählt, die für den Klienten/Coachee und seine Themen jeweils am besten passen und besonders erfolgversprechend sind.
Dabei können z. B. Techniken aus dem NLP mit solchen aus der Kurzzeittherapie sowie hypnosystemischen Interventionen kombiniert werden.
Das sind klare Vorteile des systemischen Konzepts: Bei dieser Form der Begleitung stehen der Coachee und sein Anliegen absolut im Fokus – es geht ausschließlich
um seine Bedürfnisse, seine Wahrnehmung und seine Darstellung der Situation.
Der Coach hält hierbei eigene Ansichten und Bewertungen heraus, trifft keine Diagnosen, gibt keine Ratschläge und ist sowohl neutraler als auch präziser Beobachter.
als auch empathischer Prozessbegleiter.
Er führt durch systemische Fragen und Interventionen. Ressourcen für Veränderungen und Entwicklung liegen meist im Unbewussten des Klienten:
in seinem Erfahrungsschatz, seinem Wissen und seinen Fähigkeiten, zu denen er bisher keinen Zugang hat, in seinen Emotionen und intuitiven Ideen.
Wesentliches für nachhaltige, positive Coaching-Ergebnisse sind Vertrauen, Rapport und offenes Feedback – also stimmige Kommunikation auf Augenhöhe.
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Autor: Reinhard Kotter | verfasst: 29.09.19 | überarbeitet am 05.07.2025